Für einen ökologischen „Deutschlandtakt“ und umweltfreundlichen Ausbau ICE-Trasse Bielefeld-Hannover!

Ein Leserbrief von Dipl.Ing. Walter Reich – Sprecher der AG „Verkehrsplanung“ BI WiduLand


Der Klimawandel macht deutlich: Verkehrswende zur Schiene ist notwendig! Die jüngsten Ereignisse erfordern, dass geplante Baumaßnahmen hierzu auf ihren Umwelteinfluss und Verträglichkeit überprüft werden. Wie wirken sich Umbau oder Neubau der geplanten Trasse Bielefeld-Hannover kurzfristig auf Klima und Umwelt aus? Erhöhter Flächenverbrauch, Landschaftszerstörung, Gefährdung von Heilquellen einer Neubautrasse Bielefeld-Hannover gegenüber dem Ausbau der bestehenden Trasse sind hinlänglich bekannt.

Der CO2-Fußabdruck dieses Projektes ist nicht diskutiert worden. Dies obwohl (oder weil) bekannt ist, dass beim Bau von Tunnel oder Brücken durch den Betoneinsatz hohe Mengen CO2 ausgestoßen werden: Vorsichtige Berechnungen ergeben, dass für die ICE-Trasse Bielefeld-Hannover durch die Baumaßnahmen Emissionen, dass bei einem Neubau ca. 4 Millionen t CO2, durch den Ausbau unserer vorhandenen Trasse nur ca. 0,8 Millionen CO2 emittiert werden. Diese Prognosen werden wahrscheinlich ebenso wenig eingehalten, wie die Kosten-Prognosen in Milliardenhöhe. Im Bau befindliche Bahn Groß-Projekte, welche sich über 10 Jahre erstrecken, machen dies deutlich.
Um die Dimension des direkten CO2-Ausstoßes beim Bau quer durch die Landschaft zu verdeutlichen: Um 4 Millionen t CO2 (Neubau) während 10 Jahren zu absorbieren, würde ca. 35.000 ha Wald benötigt. In der Tat werden ca. 350 ha Fläche versiegelt. In 2020 betrug der CO2-Gesamtausstoß in Deutschland ca. 620 Millionen t. Es muss befürchtet werden, dass allein dieses Projekt, würde es jemals realisiert, sich an 1% des Gesamtausstoß der BRD annähern würde!
Durch den enormen CO2 Ausstoß beschleunigt ein Neubau der Trasse Bielefeld-Hannover den aktuellen Klimawandel. Die Planung einer Neubautrasse parallel zu einer ausbaufähigen bestehenden Trasse fühlt sich wie ein Relikt aus (leider) vergangenen Zeiten an. Das übliche Berechnen der Treibhausgasemissionen für eine Lebensdauer von 60 Jahren unter Aspekten Herstellung, Betrieb, Unterhalt, inkl. Einsparung Taktbetrieb, fiktive Personenkilometer etc. erscheint in der aktuellen Situation sinnlos. Sicher ist, dass Geschwindigkeitserhöhung auf 300 km/h generell einen sprunghaften Anstieg des Energieverbrauches verursacht. Einspurige Tunnelstrecken, wie geplant, erhöhen die entstehenden Emissionen nochmals.

„Die Zuverlässigkeit ist wichtiger als die reine Reisezeit“, sagte kürzlich der Schweizer SBB-Bahnchef Vincent Ducrot. Er ist dabei den Schweizer SSB Integraltakt, Vorbild des Deutschlandtaktes der DB, bereits das zweite Mal robuster zu gestalten. Robuster bedeutet mehr Reserven in den einzelnen Fahrstrecken, dadurch längere Fahrtzeiten und längere Umsteigezeiten.

Es wird in Deutschland die doppelte Anzahl von Zugreisenden angestrebt. „Wenn doppelt so viele Leute ein- und aussteigen, dann dauert das mehr als doppelt so lang“ (D. Brühweiler, Züricher Verkehrsverbund). Neben längeren Umsteigezeiten erfordert dies mehr Platz auf Bahnsteigen und in Bahnhöfen. Aktuelle Planungen und Maßnahmen müssen dies heute berücksichtigen, auch wenn die Realisierung noch weit entfernt ist. Die Umsteigezeiten und Erreichbarkeit von Verbindungen in Hannover entsprechend der aktuellen DB-Deutschlandtakt-Planung werden bereits jetzt massiv kritisiert: Fachleute wie Herr Engel/Pro Bahn oder Prof. Hesse/TU München mahnen Veränderungen an, werden von der DB nicht hinzugezogen. Den DB-Ingenieuren, die den Deutschlandtakt errechnen, wird nach eigenen
Aussagen keine alternative Zielsetzung vorgegeben. Es entsteht der Eindruck, dass das vor Jahren angedachte Rechenmodell eines Hochgeschwindigkeitstaktes zur heiligen Kuh stilisiert wird. Diese wird durchs Land getrieben, um Prestigeprojekte durchzusetzen. Koste es was es wolle: CO2, €, ha. Für uns Bürger zu komplex, um dagegen zu halten.
Das Misstrauen in Absichten und Aussagen der Herren Scheuer und Ferlemann (BMVI) und der Deutschen Bundesbahn ist inzwischen so groß geworden, dass die Bürgerinitiative WiduLand gemeinsam mit der Stadt Vlotho und weiteren Kommunen ein eigenes Gutachten für eine umweltschonende Trassenführung Bielefeld–Hannover‘ in Auftrag gegeben hat. Hier werden die Vorschläge von Herrn Engel und Prof. Hesse berücksichtigt.

Die Berechnung eines Integralen Taktes der Bundesbahn muss in Zeiten des Klimawandels kurzfristige ökologische Zielsetzungen aufweisen: Robuste und wetterfeste Verbindungen, entsprechend dem alten Slogan „Alle reden vom Wetter, wir nicht“. Pünktlichkeit durch ausreichende Reserven in jeder Strecke. Wen interessiert es, ob man in 4h oder 4h 18 von Düsseldorf nach Berlin kommt, wenn man sowieso einen Zug früher nehmen muss, um pünktlich anzukommen. Bequeme Umsteigezeiten statt Turnschuhverbindungen. Gute Erreichbarkeit aller Züge, nicht nur in den Großstädten. Knotenpunkte so gestalten, dass nicht künstliche Geschwindigkeitserhöhungen oder -reduzierungen notwendig sind.

Großflächige 30 km/h-Bereiche in Städten, 130km/h auf Autobahnen, Limitierung der Inlandsflüge stehen ins Haus. Nur das Bundesverkehrsministerium und die Deutsche Bahn bauen und planen weiter mit 300 km/h, mit einer Symphonie von Tunnel (Fehmarn, Stuttgart, Filder, Raststatt, Frankfurt, Hamburg, Rosenheim, Daglfing, Offenburg, Dresden-Prag, etc.), ohne Offenlegung der CO2 Emissionen? Investition + Emission müssen gemeinsam Grundlage sein. Nur wenn die Politik die Aufgabenstellung eines ans Klima angepassten Integraltaktes formuliert, sind wir deutschen Ingenieure in der Lage, einen ökologischen Integraltakt zu realisieren. Wir haben schon ganz andere Dinge hinbekommen. Der Klimawandel drängt!

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