„Schienenpakt“ vorgestellt
Bahn mit Plan
Quelle Tagesschau.de vom 30.06.2020
Der gesamte Bahnverkehr in Deutschland soll leistungsstärker, zuverlässiger und klimaschonender werden. Das verspricht Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Es gehe dabei nicht nur um die Deutsche Bahn AG, sondern um „das gesamte System Schiene“.
Ein Kernziel des „Masterplans Schienenverkehr“: Die Zahl der Menschen, die Bahn fahren, soll bis 2030 verdoppelt werden. Auch der Anteil des Güterverkehrs soll deutlich steigen.
Fernzüge künftig im Halbstundentakt
Damit das gelingen kann, müssen unter anderem mehr Züge angeschafft, neue Bahnstrecken in Betrieb genommen sowie Zugverbindungen ausgebaut und verbessert werden. Deshalb kündigte Minister Scheuer an, dass auch der sogenannte Deutschlandtakt „punktgenau“ live gehen werde.
Der Deutschlandtakt sieht unter anderem vor, dass zwischen den großen Städten Fernzüge künftig im Halbstundenrhythmus fahren. Auf der Strecke Berlin-Hamburg soll das bereits ab Dezember der Fall sein. Zudem sollen der Fern- und Regionalverkehr besser aufeinander abgestimmt werden, damit Fahrgäste zuverlässigere Anschlüsse bekommen.
Weil das Ganze viel Geld kostet, soll der Bund künftig mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr für Neu- und Ausbau der Schieneninfrastruktur bereitstellen. Zurzeit ist es etwa die Hälfte.
Mit den wachsenden Anforderungen, steigt auch der Personalbedarf im Eisenbahnverkehr. Gelingt es, den Plan umzusetzen, wird die Branche zum Job-Motor. Allein bei der Deutschen Bahn sollen in den nächsten Jahren 100.000 neue Arbeitsplätze entstehen.
Zweifel an Umsetzung und Zeitplan
Der Grünen-Bahnexperte Matthias Gastel sieht gute Ansätze in dem Projekt, zweifelt aber an der Umsetzung: „Wir kennen den Verkehrsminister und wissen, dass er viele Dinge aus seinem Haus nicht umsetzt“, so Gastel. Es habe auch schon Masterpläne für den Güterverkehr geben. Doch es ist so gut wie nichts sei seitens der Bundesregierung tatsächlich umgesetzt worden.
Er glaube auch nicht daran, dass die Bahn mit dem „Schienenpakt“ gegenüber anderen Verkehrsträgern, wie dem Auto oder Flugzeug, gestärkt werde, so Gastel. Das kritisiert auch der Verband Allianz Pro Schiene, der an dem Plan mitgearbeitet hat. Dieser sei kein Startschuss für eine umfassende Verkehrswende.
Für kaum haltbar hält FDP-Verkehrspolitiker Christian Jung die zeitlichen Zielsetzungen. Bei der Eisenbahn müsse man immer in Schritten zwischen zehn und 20 Jahren denken, sagt er. „Bis man die ganzen Dinge umsetzt hat, neue Gleisanschlüsse gebaut hat, dauert es so seine Zeit.“
Für die Bundesregierung spielt der Bahnverkehr eine zentrale Rolle, um ihre Klimaschutzziele zu erreichen. Die Politik wird allein deshalb den Druck hochhalten.
Ein Kommentar:
Scheuers Bahn-Pläne
Ein Pakt ist noch keine Revolution
Quelle Tagesschau.de vom 30.06.2020
Beim „Masterplan Schienenverkehr“ des Verkehrsministers ist Skepsis mehr als angebracht: Scheuer liebt die große Show – und eine Zielvereinbarung allein macht noch keine Verkehrswende.
Verkehrsminister Andreas Scheuer mag die große Show und passend dazu: große Worte – auch an diesem Tag wieder. Einen „Masterplan“ nennt er die Zielvereinbarung, die Bund, Bahn und Verbände unterschrieben haben. Damit könne die Schiene Verkehrsträger Nummer 1 in Europa werden. Das Ziel, einen Taktfahrplan in Deutschland aufzubauen, nennt er „eine kleine Revolution“. Masterplan, Nummer 1, Revolution. Drunter macht es Scheuer selten.
Das Problem am ständigen Maximal-Dick-Auftragen? Dass man sich damit schnell unglaubwürdig macht. „Overselling“ nennt man es im Englischen, wenn einer den Mund zu voll nimmt. Auch beim neuen Deutschlandtakt könnte das für Scheuer wieder so enden.
Ein guter Anfang – aber wie verlässlich?
Das Ziel ist gut: Zwischen den wichtigsten deutschen Städten soll alle 30 Minuten ein Zug fahren. Losfahren und Umsteigen sollen Bahnfahrende gar nicht mehr groß planen müssen – es kommt auf jeden Fall gleich der nächste Zug. Dazu sollen Fern- und Regionalverkehr viel besser aufeinander abgestimmt sein.
Das seien keine Fantasien, hat der Verkehrsminister dazu gesagt, höchstens Visionen. Vor allem aber: klare Ziele. Ziele und Visionen, Scheuer und die Deutsche Bahn? Da ist leider Skepsis angebracht.
Zwischen Hamburg und Berlin soll der Halbstundentakt schon ab Dezember starten, sogar früher als erst angedacht. Das ist ein guter Anfang. Aber wie viele andere Strecken werden wirklich bald so verlässlich miteinander verbunden sein?
Der Verkehrsminister will der Bahn pro Jahr drei Milliarden Euro geben, um neue Gleise zu bauen – fast doppelt so viel wie bisher. Aber beschlossen ist das noch nicht. Und ob es reicht, ist auch unklar.
Bis 2030 doppelt so viele Bahnfahrer?
Gut ist: Der Verkehrsminister hat erkannt, dass die Bahn ein Gewinnerthema sein kann. Für die Regierung, für ihn selbst, für den Klimaschutz – und bei dem hat Scheuer und sein Verkehrsbereich bisher komplett versagt. Jetzt versucht er die Kurve zu kriegen.
Es war richtig, die Preise fürs Bahnfahren zu senken. Es ist richtig, das Angebot besser zu machen. Ein verlässlicher Taktverkehr kann Vertrauen schaffen und Bahnkunden Zeit sparen.
Aber Umweltverbände haben recht: Eine echte Verkehrswende ist das noch nicht. Dafür müsste Scheuer das tun, was er bisher stets gescheut hat: anderen Verkehrsträgern Wettbewerbsvorteile streichen, Fliegen und Autofahren damit teurer und unattraktiver machen. Nur dann steigen Menschen wirklich auf die Bahn um.
Bis 2030 sollen doppelt so viele Menschen Bahn fahren. Dieses offizielle Ziel hat Scheuer jetzt nochmal ausgegeben. Glaubwürdig ist das nicht.