Umweltverbände kritisieren Bahn-Dialog zur ICE-Trasse – „Ein Ausbau auf der Bestandstrasse wird kaputt geprüft“

Pressemitteilung der niedersächsischen und nordrhein-westfälischen Natur- und Umweltschutzverbände BUND, NABU, LNU und NVN zum geplanten Ausbau der ICE-Strecke Hannover – Bielefeld

Düsseldorf/Bielefeld/Hannover – Seit einem Jahr ist die Planung einer ICE-Schnellstrecke Hannover-Bielefeld auf dem Tisch. Die Deutsche Bahn hat seitdem zu einer Vielzahl von „Dialogveranstaltungen“ eingeladen. Die daran beteiligten Natur- und Umweltschutzverbände aus NRW und Niedersachsen ziehen jetzt in einer gemeinsamen Erklärung ein ernüchterndes Fazit zahlreicher Plenen, Workshops und Gespräche. Die Bahn sei nicht zu einem ergebnisoffenen Dialog bereit, halte vielmehr an dem schon zu Beginn der Planung gesetzten Standard einer zu erreichenden Taktgeschwindigkeit von 300 km/h fest, was zwingend eine komplette Neubaustrecke nötig mache.

Die nordrhein-westfälischen Landesverbände des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) und des Naturschutzbund Deutschland (NABU) unterstützen grundsätzlich die Verbesserung des Schienenverkehrs und auch den Ausbau dieser wichtigen Fernverbindung. Eine fast gradlinig von Bielefeld nach Hannover führende neue Betontrasse sei mit dem Natur- und Landschaftsschutz aber unvereinbar.

Die Umweltverbände kritisieren, dass aus dem Bundesverkehrsministerium bisher noch kein schriftlicher Planungsauftrag öffentlich vorliege. Trotz dieser mangelhaften, intransparenten Aufgabenbeschreibung halte die Bahn dennoch stur an fiktiven Vorgaben des BMVI, wie der zu erreichenden Fahrzeit von 31 Minuten zwischen Hannover und Bielefeld fest. Dabei hätten unabhängige Bahnexperten in Vorträgen auf einem DB-Plenum anschaulich belegt, dass der Deutschlandtakt auch mit längeren Fahrzeiten von ca. 40 Minuten erreichbar sei. Das könne auch mit einem Ausbau der Bestandstrecke und einer Taktgeschwindigkeit von ca. 230 km/h erreicht werden. „Die betroffenen Regionen in Ostwestfalen-Lippe und Niedersachsen wollen in seltener Einigkeit eine Trassenführung entlang der Bestandstrasse, aber die scheint gegenwärtig gerade kaputtgeprüft zu werden“, so Dr. Heide Naderer, Vorsitzende des NABU NRW.

Bei der ICE-Schnellstrecke Hannover-Bielefeld wird die im Rahmen des neuen Maßnahmengesetz-Vorbereitungsgesetzes (MGVG) geforderte Öffentlichkeitsbeteiligung von der Bahn keineswegs auf Augenhöhe geführt, so die Umweltverbände in ihrer Bilanz.  So gibt es bis zum jetzigen Zeitpunkt keine gemeinsam erstellte und vereinbarte Gesprächsgrundlage zwischen der DB und dem Plenum. Aktuell finden zudem „Regionaltreffen“ statt, bei denen sowohl Naturschutzverbände als auch die Landwirtschaft, Wasserwirtschaft und andere betroffene Bereiche nicht eingeladen sind.

Zu Beginn der Planung habe es noch geheißen, man beginne „auf einem weißen Blatt Papier“ ohne Vorentscheidungen. Mit der Veröffentlichung sogenannter „Grobkorridore“, bei denen Neubautrassen quer durch die Landschaft skizziert werden, habe sich das jetzt erledigt. „Dabei gab es zuvor noch im Dialog-Plenum eine Einigung für eine Bewertung der unterschiedlichen „Raumwiderstände“ wie Naturschutzgebiete oder Heilquellen. Die Planung der „Grobkorridore“ zeigt jetzt, dass die Bahn nicht bereit ist, bei der Planung auf handfeste Raumwiderstände Rücksicht zu nehmen“, stellt dazu Holger Sticht, Vorsitzender des BUND in NRW fest.

Und Mark vom Hofe, Vorsitzender der LNU fragt nach: „Nach welchen Regeln werden hier systematisch öffentliche Belange höchster Güteklassen ignoriert? Liegt die Wunschtrasse der Bahn bereits irgendwo durchgeplant vor, und das Planungsverfahren hat nur die Aufgabe, die Diskussion genau auf diese Linie zu bringen?“ Sollte die Bahn weiterhin, so die Verbände, „Top-down“ planen und den offenen Dialog verweigern, seien Konflikte unausweichlich.

Auch die neue Bundesregierung müsse sich fragen lassen, ob sie einen ehrlichen Dialog mit der Region zwischen Hannover und Ostwestfalen-Lippe wolle. Viele Abgeordnete der künftigen Regierungsparteien hätten sich in den letzten Monaten den Forderungen von Städten, Kreisen und Verbänden der Region für einen Ausbau entlang der Bestandstrecke angeschlossen. Jetzt komme es darauf an, realistische und umweltverträgliche Planungsvorgaben zu setzen.

Aus Sicht der Natur- und Umweltverbände sind das die folgenden Kernpunkte:

Erstens: Abschied von den beiden Vorgaben „31 Minuten Fahrzeit“ und „300 km/h Höchstgeschwindigkeit“.

Zweitens: Ausbau für maximal 230 km/h unter bestmöglicher Ausnutzung der vorhandenen Schienenstränge und so nah wie möglich an der Bestandsstrecke.

Drittens: Abstimmung des Deutschlandtaktes auf die dann erreichbare Fahrzeit zwischen Bielefeld und Hannover.

Die Verbände weisen darauf hin, dass bei Beachtung dieser Prämissen das Projekt im Sinne des Klimaschutzes und der notwendigen Verkehrswende um ein Vielfaches schneller geplant und umgesetzt werden kann.

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