Bahn schreckt mit Neubauplänen der Y-Trasse auf

Anwohner der eigentlich längst zu den Akten gelegten Y-Trasse befürchten, dass der geplante Ausbau des Schienennetzes zwischen Bremen, Hannover und Hamburg am Ende doch zum Neubau von Bahnstrecken führt.

Die Bahn AG hat sich den „Deutschlandtakt“ auf die Fahnen geschrieben. Halbstündige Abfahrten aus den Metropolen und deutlich reduzierte Fahrtzeiten im Güterverkehr sollen die Schiene voranbringen.

Anwohner und Bürgerinitiativen befürchten bereits eine Wiedergeburt der eigentlich längst begrabenen Y-Trasse, der umstrittenen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Hannover, Bremen und Hamburg. Grund für die Sorgen sind neue Pläne der Bahn AG, es nicht mehr nur bei der 2015 im Dialogforum Schiene Nord unter dem Projektnamen „Alpha E“ verabredeten und schon begonnenen Ertüchtigung bestehender Gleisverbindungen im Dreieck der drei Großstädte zu belassen. Das Staatsunternehmen denkt mittlerweile auch daran, längere Teilabschnitte ganz neu zu errichten. Im Gespräch ist eine zweigleisige Trasse von Stelle (Landkreis Harburg) bis in den Süden von Uelzen. Diese würde rund 70 Kilometer durch die Heide zusätzlich zur bestehenden ICE-Strecke Hamburg-Hannover laufen und dabei größere Ortschaften wie Lüneburg, Bad Bevensen und Uelzen außen vor lassen.

Reine Zukunftsmusik? Die Bahn AG hat sich mittlerweile den „Deutschlandtakt“ auf die Fahnen geschrieben – mit halbstündigen Abfahrten aus den Metropolen und deutlich reduzierten Fahrtzeiten. „Nach den ersten Ergebnissen der Vorplanungen sind die verkehrlichen Ziele voraussichtlich mit einer reinen Ausbaustrecke nicht erreichbar“, gab jetzt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), auf eine Bundestagsanfrage des Grünen-Abgeordneten Sven-Christian Kindler aus Hannover zur Umsetzung des „Alpha E“ zu. Ziel sei eine wirtschaftliche Umsetzung unter Berücksichtigung der prognostizierten Verkehre, schreibt der Bahnbeauftragte der Bundesregierung in seiner Antwort. „Dabei sind alle sich aufdrängenden Varianten zu betrachten.“Mehr zum Thema

Für Kindler bedeutet dies einen klaren Bruch der vor fünf Jahren beschlossenen Vereinbarung des Dialogforums aus Bahn, Bürgerinitiativen, Bund, Land Niedersachsen und Anlieger-Kommunen. Am 5. November 2015 habe Staatssekretär Ferlemann in Celle höchstpersönlich zugesichert, dass das „Alpha E“ als Ersatz der Y-Trasse ganz ohne Neubaustrecken realisiert werde. „Wenn die Bundesregierung den Konsens von Celle durch die Hintertür aufkündigt, ist das gefährlich für das Projekt und die notwendige Akzeptanz in der Region“, kritisiert Kindler im Gespräch mit dem WESER-KURIER und fordert volle Transparenz.

Widerstand in der Region

„Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung jetzt alle Karten auf den Tisch legt.“ Zuvor hatte schon der Projektbeirat Alpha E den Staatssekretär an sein damaliges Versprechen „kein Ypsilon mehr, keine Neubaustrecken“ erinnert und einen „erheblichen Widerstand in der Region“ prophezeit, sollte die Planungen jetzt erweitert werden.

Ferlemann widerspricht: „Das ist Unsinn.“ Es gehe nicht um einen Neubau, sondern um eine reine Ausweich- und Umgehungsstrecke, betont er im Gespräch mit dem WESER-KURIER. Dies sei vom damaligen Kompromiss sehr wohl gedeckt. Die bisherigen Ausbaupläne mit einen dritten Gleis seien teilweise technisch gar nicht machbar. „Das ist in der Theorie gut gedacht, in der Praxis kriegen wir das nicht hin.“ So müssten in Bad Bevensen ganze Häuserreihen abgerissen werden. Außerdem rebellierten einige der betroffenen Kommunen vehement gegen die bisher vorgesehenen Lösungen, berichtet der Staatssekretär. „Wenn wir nicht durch die Orte kommen, fahren wir eben außen rum.“ Dass die Bahn dabei weitere Varianten etwa parallel zur Autobahn 7 bewerten müsse, sei allein dem Planungsrecht und den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts geschuldet.Mehr zum Thema

Kindler und der Projektbeirat vermuten dagegen einen ersten Schritt hin zum alten Ypsilon. Die Züge sollten Tempo 300 fahren können sowie Güter- und Personenverkehr getrennt werden. „Beides geht nur auf Neubaustrecken.“ Die Kritiker fühlen sich durch das Ende Juni vorgelegte dritte Gutachten zum Deutschlandtakt, das Verkehrswissenschaftler für die Bahn erstellt haben, bestätigt. Darin findet sich neben einer Tempo-300-Strecke von Hannover nach Bremen und Bremerhaven auch eine Hochgeschwindigkeitstrasse von Hamburg ins Rheinland. Diese führt durch die Heide, lässt Hannover links liegen und trifft dann westlich der Landeshauptstadt auf den neu zu bauenden Abschnitt Seelze-Bielefeld. Der Blick auf die Karte erinnert zumindest entfernt an ein Ypsilon.

Althusmann hält an Ausbau fest

So betrachtet auch Niedersachsens Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) die neuen Pläne skeptisch: „Unsere Erwartung ist, dass Bund und Bahn sich an die 2015 gemachte Zusage halten und Alpha E als Ausbauprojekt ohne Verzögerung realisieren“, fordert der Ressortchef. „Wir brauchen jetzt eine Verbesserung für den Personen- und Güterverkehr auf der Schiene.“ Zwar begrüße er die Idee eines Deutschlandtakts mit gut aufeinander abgestimmten Verbindungen und Umsteigemöglichkeiten ausdrücklich. Aber dieser Takt sei auch mit dem Alpha E machbar, argumentiert Althusmann. „Deutschlandtakt heißt nicht, dass man überall mit Tempo 300 fahren muss.“ Wichtig sei vielmehr, die Anschlussmöglichkeiten gut aufeinander abzustimmen. „Ziel muss es sein, die Fahrzeit von Tür zu Tür deutlich zu verkürzen. Und das erreichen wir eben auch dadurch, dass unnötige Wartezeiten auf Bahnhöfen massiv reduziert werden.“

Quelle Peter Mlodoch vom Weser-Kurier vom 02.10.2020


Kommentar von Pro-Ausbau

Für alle NachbarInnen, die meinen, dass der viel besungene Bürgerdialog eine rechtsverbindliche Vereinbarung darstelle: mitnichten! Die Bahn AG kann und wird nur dort wo es ihr genehm ist, die Lösungen des Bürgerbeteiligungsverfahrens umsetzen. Sie kann jederzeit und überall mit neuen „Argumenten“ kommen, die doch eine andere Variante „erfordern“.

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