Einem Rechtsgutachten im Auftrag des BUND zufolge ist der Bundesverkehrswegeplan grundgesetzwidrig. Denn Klimaschutz spielt darin keine Rolle.
Der 2016 verabschiedete Bundesverkehrswegeplan listet Infrastrukturprojekte auf, die bis 2030 realisiert werden sollen. Darunter ist der Neubau von 850 Kilometern Autobahn. Behörden sind an die Vorgaben gebunden. „Sie können nicht mehr in Abrede stellen, ob es eine Straße wirklich braucht“, erklärte die Fachanwältin für Verwaltungsrecht Franziska Heß, die das Gutachten erstellt hat. Diese „Bindewirkung“ gehe so weit, dass etwa eine vierspurig geplante Autobahn nicht kleiner gebaut werden dürfe. Insgesamt berücksichtige der Bundesverkehrswegeplan nicht die Belange des Klimaschutzes. Das sei aber nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz erforderlich, sagte Heß. „Eine Folge ist: Die Bindungswirkung des Bundesverkehrswegeplans muss entfallen“, sagte sie. Nicht nur politische, sondern auch rechtliche Gründe sprächen für eine Neufassung. Zahlreiche Verbände und Gruppen fordern, die aufgelisteteten Straßenneubauten unter Klimagesichtspunkten zu begutachten und gegebenenfalls zu kippen. Auch die Grünen wollen die Überprüfung sämtlicher Projekte. Quelle: taz vom 07.10.2021
Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) setzt sich in der gesetzlichen Grundlage fort – dem Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSchwAG).
Schienen-Bauprojekte gehören genauso auf den Prüfstand
Interessanterweise werden Schienenprojekte mit Klimaschutz gleichgesetzt. Mitnichten! Wer einen Slogan voranstellt wie „Öfter – Schneller – Überall“ hat den Schuß des Bundesverfassungsgerichts nicht gehört. Bahnprojekte, die persönliche Eitelkeit und politischen Ehrgeiz über das erforderliche Maß stellen, gehören ins Kuriositätenkabinett.
Ein mit heißer Nadel gestrickter Zielfahrplan, fehlerhaft an so vielen Stellen (die Kritikpunkte lesen Sie seit geraumer Zeit auf dieser Webseite), gehört ebenso in die Revision wie der veraltete Bundesverkehrswegeplan und das gleichaltrige Bundesschienenwegeausbaugesetz. Dabei ist genauso wie beim Straßenbau zu überprüfen, welche Schienenprojekte wirklich ökologisch und ökonomisch sinnvoll sind. Die Bahn attraktiver und klimafreundlicher zu stärken bedeutet:
Vorarbeit leisten und einen zukunftsfähigen + robusten + bezahlbaren Zielfahrplan berechnen
Es muss ein Zielfahrplan berechnet werden, der gleichermaßen den Sinn und Zweck eines realistisch funktionierenden Integralen Taktfahrplans erfüllt sowie Mensch – Natur – Umwelt – Klima vor eine halbstündige Reisezeitverkürzung stellt!
Alle Projekte, die derzeit im BVWP und BSchwAG stehen, gehören überprüft! Erst recht die Projekte, die in der sogenannten „Liste 181“ enthalten sind und im Geschwurbel der Position 44-Deutschlandtakt untergebracht sind!
Erst der Fahrplan – dann die Milliarden für den Infrastrukturausbau
Die Kritik an der Vorgehensweise des Bundesverkehrsministeriums wächst. Das Ausmaß des 3. Zielfahrplans wird der Öffentlichkeit allmählich bewußt. Aber-Milliarden an Baukosten – erst recht wenn man die Kosten nicht in die Vergangenheit rechnet, sondern mit den heutigen und zukünftigen Baupreissteigerungen ermittelt! Aber-Milliarden für die erforderliche Zugausstattung an neuen ICEs.
Die Beratungsfirma SMA beziffert die Investitionen der 181 Einzelprojekte auf 48,5 Milliarden Euro. Die Zahl wurde auch diskret auf einer Projektseite veröffentlicht und in einem Schreiben des Ministeriums an die Bundestagsabgeordneten erwähnt. Die Summe überträfe die bisher geplanten Investitionen in die Schiene um ein Vielfaches. So hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bisher zwei Millarden Euro jährlich in Aussicht gestellt, zuletzt auch drei Milliarden oder mehr. Hochgerechnet würde der Deutschland-Takt damit nicht vor 2044 Realität.
Allerdings geht die Prognose von Baukosten des Jahres 2015 aus, worauf die Südddeutsche Zeitung hinweist. Der aktuelle Baupreis könnte Fachleuten gemäß bei 60 Milliarden Euro liegen. Der Plan hat auch entscheidende Bedeutung für die Erreichung der deutschen Klimaziele im Verkehrssektor. Als Ziel sollen die Passagierzahlen der Schiene bis 2030 verdoppelt werden auf 260 Millionen Fahrgäste. Die Bahn will sich zwar nicht auf 2030 festlegen, man werde aber alles dafür tun, dieses Ziel zu erreichen, so ein Sprecher gegenüber der SZ (Süddeutsche Zeitung vom 10.10.2021).
Der Zugbedarf für die Umsetzung wäre enorm: Die Bahn geht bisher schon von 200 weiteren ICEs bis 2024 aus, bei einem 30-Minuten-Takt deutlich mehr. Zudem müsste das Netz massiv ausgebaut werden, vor allem an Knotenpunkten. Strecken wie Berlin-Düsseldorf sollen dann auf dreieinhalb, Stuttgart-Hamburg auf viereinhalb Stunden reduziert werden. Das Gutachten fällt in eine brisante Phase der Verhandlungen über eine Ampel-Koalition in Berlin, bei denen sich vor allem die FDP gegen eine höhere Kreditaufnahme respektive Verschuldung wehrt. Quelle: Vision-Mobility vom 11.10.2021